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Keine Unfallversicherung für ehrenamtliche (Mannschafts-)Betreuer

Der Fall:

Eine Mutter war als ehrenamtliche Betreuerin der Basketballmannschaft ihrer Tochter verunfallt und klagte nun auf Feststellung eines Arbeitsunfalls.

Die Begründung:

Als genauen Unfallhergang wurde beschrieben, dass es zu einem Absturz von der mittleren Zuschauertribüne gekommen sei, beim Einfahren der Tribünenteile. Die Klägerin stand dabei auf der obersten Stufe und packte ihren Rucksack zusammen. Sie stand mit dem Rücken zur Halle. Drei Helfer hatten die Tribünenreihe gemeinsam eingefahren und nicht gesehen, dass die Klägerin noch auf der obersten Stufe ihren Rucksack packte. Durch das Einklappen kam es zu einer Fußverletzung. Die Klägerin sei als Helferin/Betreuerin der Mannschaft tätig gewesen. Die Klägerin erlitt bei diesem Ereignis erhebliche Frakturen.

In den weiteren Ermittlung gab der entsprechende Verein an, die verunfallte Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt kein Mitglied des Vereins gewesen. Der Verein hatte auch die Tätigkeit nicht beauftragt, vielmehr sei die Klägerin als Helferin/Betreuerin während des Basketballspiels ohne Bezahlung tätig gewesen.

Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigte kommt nicht in Betracht, denn die Klägerin stand zum Unfallzeitpunkt mangels einer persönlichen bzw. wirtschaftlichen Abhängigkeit in keinem Beschäftigungsverhältnis zum Verein.

Die Klägerin stand auch nicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII als sog. "wie-Beschäftigte" zum Unfallzeitpunkt unter Versicherungsschutz. Die ständige sozialgerichtliche Rechtsprechung hat hierfür im Wesentlichen folgende Kriterien entwickelt:
  • es muss sich um eine ernste, dem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handeln
  • sie muss dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen
  • die Tätigkeit muss dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sein, d.h. ihrer Art nach von Personen verrichtet werden können, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen können und
  • unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht, also konkret arbeitnehmerähnlich ist.
Es kann vorliegend offenbleiben, ob die ersten drei der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien erfüllt sind, denn die Tätigkeit der Klägerin wurde nicht unter solchen Umständen geleistet, dass sie im konkreten Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht, also konkret arbeitnehmerähnlich war. Die Klägerin war vielmehr aufgrund der verwandtschaftlichen Sonderbeziehung (Mutter - Tochter) tätig.

Eine solche sozial geprägte Sonderbeziehung liegt sowohl bei Verwandtschafts-, Freundschafts- und Nachbarschaftsverhältnissen als auch bei Mitgliedschaften in Vereinen und ähnlichen Gemeinschaften vor.

Handelt es sich um eine selbstverständliche Hilfeleistung oder ist die Tätigkeit durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder sozial geprägten Beziehung gekennzeichnet, so fehlt es regelmäßig an einer konkreten Arbeitnehmerähnlichkeit. Selbstverständliche Hilfeleistungen sind solche, die sich ausgehend von der sozial geprägten Sonderbeziehung in einem üblichen und zu erwartenden Rahmen bewegen oder einen Vereinszweck entsprechen.

Es kommt entscheidend darauf an, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Tätigkeit nach Art und Umfang "wie ein Beschäftigter" oder "als Vereinsmitglied", "als Freund" oder gerade "als Verwandte" durchgeführt wird. Der zeitliche Umfang spielt nur eine untergeordnete Rolle, weil die Ursächlichkeit der Tätigkeit/Hilfeleistung in der konkreten Sonderbeziehung begründet ist und ein eigenwirtschaftlicher Charakter im Vordergrund steht. Die Zurechnung einer Hilfeleistung als versicherte Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII scheitert dann daran, dass nicht das "Verrichten einer Arbeitsleistung für einen Dritten (fremden Unternehmer)", sondern eine Verrichtung mit der Handlungstendenz "Pflege der Freundschaft bzw. der verwandtschaftlichen Beziehung" oder einer "Tätigkeit im Rahmen des Vereinszweckes" als unversicherte, eigenwirtschaftliche Tätigkeit im Vordergrund steht und damit allein rechtlich wesentlich ist.

Die Klägerin war zwar nicht Mitglied des Vereins, so dass eine mitgliedschaftsrechtliche Verpflichtung zum Tätig werden über den Verein grundsätzlich nicht bestanden hat.

Die Klägerin wurde konkret "als Mutter" aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehung zu ihrer Tochter tätig. Diese engste Sonderbeziehung unter Verwandten war allein wesentlich und prägend für die Tätigkeiten der Klägerin für den Trainer und die Mannschaft "ihrer" Tochter. Insoweit liegt eine Tätigkeit vor, die im Rahmen dessen liegt, welches von Eltern erwartet wird und werden kann, ohne den Rahmen einer geringfügigen Hilfeleistung zu sprengen. Hierunter werden regelmäßig auch Tätigkeiten als Kampfgericht, Vertretung oder kurzzeitiges Leiten des Trainings bei Verhinderung des Trainers, Tätigkeiten als Hilfsassistent oder ein Bringen bzw. Abholen der Kinder zu Auswärtsspielen oder Turnieren (auch) bei längeren (Auto-)Fahrzeiten fallen. Solche Tätigkeiten sind der privaten unversicherten Sphäre der Eltern-Kind-Beziehung zu zurechnen und fallen nicht in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung.

SG Hamburg, Urteil vom 26.05.2021, Az. S 40 U 167/20

TIPP: Informieren Sie sich unter www.vbg.de zur "Ehrenamtsversicherung" für gemeinnützige Organisationen!

(c) Steuerberatung Sandra Oechler


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