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Folgen des sog. Herrenberg-Urteils

Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.06.2022 hat es mittlerweile unter dem Stichwort „Herrenberg-Urteil“ zu großer Bekanntheit gebracht. Was war passiert?

Die Beteiligten stritten über den sozialversicherungsrechtlichen Status einer Musikschullehrerin => freiberufliche Honorarkraft oder Angestellte des Vereins. Details siehe hier.

Das BSG war einer mittlerweilen gefestigten Rechtsprechungslinie treu geblieben und hat letztlich wie folgt geurteilt:

Wenn der Lehrer derart in die Organisation des Vereins eingebunden ist, dass ihm sämtliche Verwaltungsaufgaben vom Verein abgenommen werden und er im Prinzip „nur“ seinen Unterricht erbringen, sich darüberhinaus aber um nichts kümmern muss, dann kann keine Selbständigkeit (= Honorarkraft) vorliegen, es handelt sich vielmehr um eine Arbeitsverhältnis mit allen Konsequenzen für sowohl Arbeitnehmer als auch den Verein als Arbeitgeber.

Fast zeitgleich mit einem Urteil des LSG Hessen im Fall einer Reitlehrerin, wurde ebenfalls vorm LSG Hessen der Fall eines Tanzlehrers verhandelt. In dem nicht-veröffentlichten Urteil kam das Gericht zu einem völlig anderen Ergebnis, weil z. B. der Tanzverein in diversen Räumlichkeiten (Turnhalle, Gemeinderaum, Bürgerhaus etc.) seine Trainingsstunden abhielt, und die Tanzlehrer sich mit den jeweiligen Hausmeistern selbständig über Öffnung, Schließung etc. abstimmen mussten. Auch waren die Tanzlehrer ihrerseits für die Anmeldung und Zahlung der Gema-Gebühren für die genutzte Musik zuständig uvm. Im Ergebnis war hier denklogisch von einer „selbst und ständigen“ Tätigkeit auszugehen.

Besagtes Herrenberg-Urteil hat nun so hohe Wellen geschlagen, dass sich die Bundesregierung mit diesem Thema beschäftigt und mit Zustimmung des Bundesrats am 14.02.2025 folgende Regelung beschlossen hat:

Eine Übergangsregelung sieht vor, dass bei dem betroffenen Personenkreis Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung erst ab dem 01.01.2027 eintritt. Das gilt für Lehrkräfte, die bisher auf Honorarbasis als Selbstständige tätig waren und für die keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden.

Die Regelung knüpft an zwei Voraussetzungen an:
 
  • die Vertragsparteien sind bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer Selbstständigkeit ausgegangen und
  • die betroffene Lehrkraft stimmt der Übergangsregelung zu
Die Übergangsregelung soll Bildungseinrichtungen und Lehrkräften ausreichend Zeit geben, die notwendigen Umstellungen der Organisations- und Geschäftsmodelle vorzunehmen, damit Lehrtätigkeiten auch unter den veränderten Rahmenbedingungen weiterhin sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch selbständig ausgeübt werden können.

Fazit:
 
  1. An den Grundsätzen der BSG-Rechtsprechung und deren generellen Kriterien zur Abgrenzung Honorakraft vs. Beschäftigungsverhältnis wird nicht gerüttelt wird.
  2. Beide Beschäftigungsformen sind weiterhin möglich – es kommt auf die vertragliche Gestaltung und VOR ALLEM (!) auf die tatsächliche Durchführung an.
  3. Die letztlichen Konsequenzen – nämlich die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen – treten erst ab 01.01.2027 ein, so dass die Organisationen bis dahin „Gnadenfrist“ haben, entweder ihre vertraglichen und tatsächlichen Arbeitsbedingungen anzupassen und/oder den in vielen Fällen aufgrund künftiger SV-Beiträge um über 30% steigenden Kosten gegenzusteuern (durch Preisanpassungen, Beitragserhöhungen, Fördermittelgenerierung etc.). Diese "Gnadenfrist" ist aber von der Zustimmung der Lehrkraft abhängig!

(c) Steuerberatung Sandra Oechler

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